Das war das 40.

Ein Festival für alle

Kaum je zuvor hat das Theater Spektakel den Anspruch, ein Festival für alle zu sein, so umfassend und vielgestaltig eingelöst wie in seiner 40. Ausgabe. Grosse Theater- und Tanzproduktionen, ein 18-tägiges Grossprojekt von Boris Charmatz unter freiem Himmel, Short Pieces von Newcomern, ein hochkarätig besetztes Symposium, frei zugängliche Klanginstallationen, Zirkus aus Palästina und Marokko, Vorträge von renommierten Wissenschaftlerinnen, Strassenkunst, Afro-Pop und Minimal Jazz, Schwimmen im See, Diskussionen am Stammtisch und afrikanische Küche – am Theater Spektakel ist das kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Während 18 Tagen waren auf der Landiwiese eine Vielzahl von Welten, Kulturen und Communities beheimatet, die durchlässig und offen, in engagiertem Austausch koexistierten und anregende Begegnungen und neue Perspektiven eröffneten. In vielleicht extremster Form zeigte sich das am Jubiläumsanlass, als im Rahmen von Boris Charmatz’ Projekt «20 danseurs pour le XXème siècle» zwanzig der weltweit besten Tänzerinnen und Tänzer nachmittags drei Stunden lang Solos an zwölf Orten auf der Landiwiese präsentierten und das Publikum in direkten Kontakt mit zeitgenössischem Tanz brachten. Frank Willems Solo zwischen Badegästen auf der Saffa-Insel hat sich als unvergesslicher Höhepunkt in Sachen Kunstvermittlung in die Festivalgeschichte eingeschrieben. 

25 000 Besucherinnen und Besucher, die eine der 155 kostenpflichtigen Veranstaltungen besuchten, eine Auslastung von 87 % (2018: 87 %) und insgesamt über 150 000 Festivalgäste auf der Landiwiese zeigen: Programm und Ausrichtung des Festivals finden regen Zuspruch und werden geschätzt.

Die niederschwelligen diskursiven und partizipativen Programmelemente, die nochmals ausgebaut wurden, entsprechen offensichtlich einem Bedürfnis. Über 400 Zuhörende verfolgten den Vortrag der Soziologin Saskia Sassen auf der Seebühne, am täglichen Warm-up mit Boris Charmatz liessen sich regelmässig rund 40 Teilnehmende von der Bewegungsfreude des charismatischen Choreografen anstecken, der Inklusionsworkshop «Perspektivenwechsel», bei dem man am eigenen Leib erfahren konnte, was es heisst, mit einer Behinderung zu leben, war blitzschnell ausgebucht, und in den Sendungen, die in den Radioworkshops entstanden, berichteten jugendliche Geflüchtete, wie sie das Festival erleben.

Publikumsmagnet Zentral

Der neue vom Architekten Ralph Alan Mueller konzipierte zweistöckige Spielort Zentral setzte nicht nur einen markanten architektonischen Akzent auf dem Gelände, er erwies sich schon nach wenigen Tagen als Publikumsmagnet. Mit Bar, Aussichtsterrasse, einem attraktiven Zuschauerbereich, dem Begegnungsort Zentral oben und einem sorgfältig kuratierten Programm mit Strassenkunst, Akrobatik, Late Night Shows und Konzerten auf zwei Bühnen präsentierte das Zentral verschiedenste frei zugängliche Angebote des Festivals in ansprechender Weise.

Zum Programm

Gezielte Begegnungen mit zeitgenössischer performativer Kunst erlaubte das Programm in reicher Zahl: Zur Eröffnung der Jubiläumsausgabe setzten die Arbeiten von Lia Rodrigues, Phia Ménard und La Re-Sentida einen starken, aufrüttelnden Dreiklang. Mit Stefan Kaegi/Rimini Protokoll, Jan Lauwers & Needcompany, William Kentridge und dem experimentellen Grossprojekt Terrain|Boris Charmatz waren herausragende, künstlerische Positionen des politischen Theaters und des Tanzschaffens zu sehen. Flankiert waren sie von kleineren formal und thematisch sehr unterschiedlichen Produktionen von Geumhyung Jeong (Korea), Genevieve Murphy (Grossbritannien), Anna Karasinska (Polen), Royce Ng (Hongkong), Samara Hersch & Lara Thoms (Australien) oder Ali Chahrour (Libanon) und den Short Pieces, die von der genreübergreifenden Gestaltungskraft, dem gesellschaftlichen Engagement und dem Ideenreichtum einer jungen Generation von Künstlerinnen und Künstlern zeugten. 

Arbeiten an der Schnittstelle zu bildender Kunst wie etwa die Klanginstallation im Eingangsbereich von Dimitri de Perrot oder die installativen Short Pieces von Ira Melkonyan, Hiba Alansari und Eunkyung Jeong, aber auch die virtuellen Performances, die bei Roehrs & Boetsch zu sehen waren, vermochten neue Publikumsgruppen anzusprechen.

Die Produktionen der chilenischen Theatergruppe La Re-Sentida, der australischen Theaterschaffenden Samara Hersch & Lara Thoms sowie des Palestinian Circus, bei denen Jugendliche auf der Bühne stehen, erhielten durch die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation besondere Dringlichkeit und vermochten das Publikum stark zu berühren. Alle drei Stücke entstanden vor den Klimastreiks und den Fridays for Future und basieren auf der Auseinandersetzung junger Protagonistinnen und Protagonisten mit brennenden, ihre Zukunft prägende Themen wie Gewalt, sexuellem Missbrauch, Migration und Umgang mit Geflüchteten. Formal ganz unterschiedlich, verbinden sich in diesen Produktionen künstlerische Arbeit, persönliche Betroffenheit und soziales Engagement zu kraftvollen künstlerischen Statements für politische Gestaltungsmacht, die hoffen lassen. 

ZKB Preise 2019

Am letzten Samstag des Festivals fand traditionsgemäss die festliche Verleihung der ZKB Preise statt. Erstmals seit der Lancierung des Publikumspreises 2016 waren sich die Fachjury und das Publikum einig: Der ZKB Förderpreis und der ZKB Publikumspreis gingen an die australischen Theaterschaffenden Samara Hersch & Lara Thoms für ihr engagiertes dokumentarisches Theaterstück «We All Know What’s Happening», das sie mit Jugendlichen erarbeitet haben. Thema ist die wechselvolle koloniale Geschichte der Insel Nauru, die Australien heute als Auffanglager für Geflüchtete dient. Viele der Insassen sind im gleichen Alter wie die Protagonist*innen.

Mit dem ZKB Anerkennungspreis wurde die ukrainische Künstlerin Ira Melkonyan und ihr Rubberbodies Collective für die sinnliche performative Installation «Upstairs Geology 50/50» ausgezeichnet.

Die Begründungen der Jury 2019 finden Sie hier. 

Gastrobetriebe

Das bis auf zwei Regentage durchgehend sommerlich warme Wetter lockte Abend für Abend viele Besucherinnen und Besucher auf die Landiwiese und bescherte den Restaurants und Bars zum Teil Rekordumsätze. Die bewährten und erfahrenen Betriebe meisterten den Ansturm mit Bravour. Der budgetierte Beitrag der Gastrobetriebe an das Festival wird erreicht werden.

Kartenverkauf

Von den insgesamt 25 000 verkauften Karten wurden ein Grossteil im Vorverkauf und online abgesetzt. Als Blockbuster erwiesen sich im Vorverkauf die beiden Performances von William Kentridge, die Groupe Acrobatique de Tanger, das Konzert von CocoRosie und «Granma. Metales de Cuba» von Stefan Kaegi/Rimini Protokoll.

Die Kaufentscheide werden jedoch deutlich kurzfristiger gefällt, was sich auch im Kartenverkauf an der Abendkasse auf der Landiwiese niederschlägt, der gut genutzt wurde.

Die Aktion «Ein Festival für alle» wurde erneut grosszügig unterstützt: 296 Soli-Karten und 345 Getränkebons wurden gespendet (2018: 200 Karten /280 Getränkebons), und nahezu alle konnten weitergegeben werden.

Partnerschaften und Unterstützung

Das Theater Spektakel ist eine Veranstaltung von Stadt Zürich Kultur und wird grosszügig unterstützt von den langjährigen Hauptpartnern Zürcher Kantonalbank, Swiss Re und Kanton Zürich sowie dem Mitbegründer und heutige Medienpartner Tages-Anzeiger. Mit einem substanziellen Beitrag haben sich als weitere Partner die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, der Lotteriefonds des Kantons Zürich, die Ernst Göhner Stiftung, Migros-Kulturprozent, die Stiftung Denk an mich und der Gönnerverein des Theater Spektakels engagiert.

Im Weiteren haben folgende Institutionen mit grosszügigen Beiträgen zur Finanzierung des Festivals (Budget 5 Mio. Franken) beigetragen: Ars Rhenia, Baugarten Stiftung, Elisabeth Weber-Stiftung, Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung, Max Kohler Stiftung, D&K DubachKeller-Stiftung, Stiftung für Radio und Kultur Schweiz sowie die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.

Grosszügiges Sachsponsoring leisteten die Firmen KIBAG AG, Zürichsee Schifffahrtsgesellschaft und Verkehrsbetriebe Zürich. Ihnen allen und den vielen weiteren Firmen, die das Festival mit materiellen und logistischen Leistungen unterstützten, dankt die Festivalleitung sehr herzlich.

Das war das 40.

Wir danken allen Besucherinnen und Besuchern für ihr Interesse, ihre Offenheit, ihre Neugier und ihren Applaus. Sie tragen ganz wesentlich zum Erfolg des Festivals bei: «Es gibt in Zürich oder in irgendeiner anderen europäischen Stadt, die ich kenne, während des Festivals keine überzeugendere Sphäre gelebter Utopie als hier.» (Daniele Muscionico in der NZZ vom 26.8.2019). In diesem Sinne: Bis zum nächsten Jahr. 

Theater Spektakel 2020

Das 41. Zürcher Theater findet vom Donnerstag 13. August bis Sonntag 30. August 2020 statt. Der Vorverkauf beginnt am Mittwoch 8. Juli 2020.